Die Zeit Zuhause – kreatives Innehalten oder Selbstoptimierungsdruck?

7. Mai 2020

Seit Wochen  sind wir alle viel mehr Zuhause als sonst. Ob Telefonkonferenz im Home-Office oder Skype Meetings mit Freunden – all das am heimischen Küchentisch oder auf dem bequemen Sofa. In den eigenen vier Wänden spielt sich momentan das Leben ab. Die Frage ist, was macht das mit dir – diese Zeit Zuhause? Ist es eher eine konstruktive und wohltuende Ruhephase für dich oder setzt du dich selbst unter Druck? [Solltest du dich gerade in einer existenziellen Notlage befinden, scrolle ganz nach unten – du findest eine Anmerkung dazu am Ende dieses Artikels.]

Die eine Seite ist, dass es die lang benötigte Zeit der Entschleunigung und des Innehaltens sein kann. Zumindest gibt es fast keine Termine abseits der Arbeit. Der wöchentliche Yoga-Kurs, die Laufgruppe, das große Familientreffen – all das gibt es nun seit mehreren Wochen nicht. Üblicherweise haben wir sonst unseren Feierabend vollgestopft mit endlos vielen Aktivitäten. Die Frage ist – Wie geht es dir nun, wo so vieles davon wegfällt? Was davon fehlt dir wirklich? Nutze diese Zeit um aktiv über deinen „normalen“ Alltag zu reflektieren. Was fehlt dir gerade am meisten? Was genießt du aktuell besonders? Die üblichen Routinen und Gewohnheiten wurden unterbrochen, der Virus zwingt uns dazu, das alltägliche Leben zu verändern. Welche Veränderungen wirst du beibehalten?

Es gibt eine ganze Reihe an Dingen, die sich gerade großer Beliebtheit erfreuen. Das „Zuhause bleiben“ wird mit Aktivitäten gefüllt, die längst in Vergessenheit geraten sind:

  • Puzzeln,
  • Malen und Zeichnen
  • neue Deko für die Wohnung basteln
  • stricken, häkeln oder nähen
  • Heimwerker Projekte wie Streichen oder Entrümpeln
  • neue und ausgefallene Rezepte ausprobieren…

In der alltäglichen Hektik vor Corona war für so etwas kaum Platz. Die, die sich doch Zeit dafür nahmen, wurden oft belächelt (an alle Intros: kommt euch das bekannt vor?).

Hast du auch etwas längst Vergessenes wieder neu für dich entdeckt?

Die andere Seite davon ist, dass man manchmal fast den Eindruck bekommt, man muss diese Zeit nun unbedingt nutzen um sich mit Neuem oder lange Aufgeschobenem beschäftigen. Der Tenor, der manchmal aufkommt ist doch:

„Was, du hast noch keine neue Fremdsprache gelernt?“

„Nun ist die Wohnung aber wohl renoviert, oder? Du bist doch nur Zuhause, da hast du doch Zeit.“

Da kommt der Selbstoptimierungsdrang unserer Gesellschaft zum Vorschein. Man muss doch etwas tun. Um jeden Preis beschäftigt sein. Achtung, da könnten ja sonst Gedanken und Gefühle aufkommen, die unbequem sind und die verunsichern. Ablenkung davor ist das Gebot.

Ich denke eine gute Balance ist hier gefragt. Es ist sehr schön, auch Dinge zu tun, für die wir sonst keine Zeit haben – aber bitte alles in Maßen. Es sollte kein Wettlauf sein, à la „Wer hat in Quarantäne die meisten Online Kurse belegt“. Wichtig ist: Mache nichts, worauf du keine Lust hast. Du musst diese Zeit nicht nutzen – du kannst! Du musst gar nichts! Dir tut dann eine Tätigkeit gut, wenn du sie von innen heraus und aus eigener Motivation wirklich gerne machst. Weil du Lust darauf hast und Spaß daran findest. Nur weil alle deine Nachbarn nun plötzlich dreimal die Woche joggen gehen, musst du das nicht auch machen. Und wenn du einfach mal nur ausgiebig auf dem Sofa drei Netflix Staffeln hintereinander anschauen willst – ja, dann ist das absolut ok. Mache das, was dir gut tut. Das Schlimmste ist, sich einem selbst auferlegten Druck hinzugeben. Nur weil du jetzt vielleicht gerade Zeit hättest, das vierwöchige Fitness- und Diätprogramm durchzuziehen, muss das nicht das sein, was du gerade für dich brauchst. Achte auf dich und höre auf die Signale deines Körpers.

Zum Abschluss dazu noch eine kleine und ganz einfache Übung:

Du liegst in deinem Bett. Gerade eben bist du aufgewacht, du streckst dich und wirst langsam wach. Du fröstelst und am liebsten möchtest du unter der kuscheligen Decke bleiben. Du hast dir aber gestern Abend vorgenommen, dass du heute __________________ (Aktivität/Tätigkeit). Welche Aktivität ist es, die dich motiviert unter der warmen Decke hervor zu kommen? Welcher Gedanke lässt dich nun freudig und energiegeladen aufstehen?

Genau das ist es, was du tun solltest. Das tut dir gut, du spürst wahre Freude aus deinem Inneren.

Anmerkung: Natürlich ist mir bewusst, dass es für viele Menschen gerade alles andere als ruhig zugeht. Die ganze Familie zuhause in der Wohnung, dazu noch Home-Office, Home-Schooling, finanzielle Sorgen, Existenzängste… Für einige bricht gerade alles zusammen und das Leben ist das reinste Chaos. Da ist keine Zeit überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden mit welchen Tätigkeiten man sich zuhause beschäftigt. Es geht gerade nur darum irgendwie weiterzumachen. Solltest du dich in einer extremen Situation befinden, und weißt weder ein noch aus, dann nutze Hilfsangebote. Es gibt Möglichkeiten, die kostenfrei sind – kontaktiere zum Beispiel die Telefonseelsorge (anonym und kostenfrei).

Telefon (kostenfreie Rufnummern): 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123

Chat und E-Mail unter www.telefonseelsorge.de

Selbstverständlich darfst du auch mich in jeder persönlichen Krise kontaktieren. Schreibe mich einfach an und wir finden einen Weg!

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